Shareholder und Stakeholder
Welche Rolle spielen die Anliegen unterschiedlicher Interessensgruppen eigentlich für ein Unternehmen? Welche Interessensgruppen hat ein Unternehmen? Und können oder sollten alle Gruppen gleichermaßen bei den Unternehmensentscheidungen berücksichtigt werden? Mit welcher Problematik muss sich das Management im Zusammenhang mit den oft auseinanderweichenden Bedürfnissen befassen?
Die beiden Ansätze der Shareholder- oder Stakeholder-Orientierung sind grundlegend für die Ausrichtung und Führung eines Unternehmens. Damit ist der Umgang mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen ein Thema für das strategische Management.
Zunächst betrachten wir die unterschiedlichen Gruppen, die ein Interesse an einem Unternehmen haben, genauer. Wir fragen also: Was sind „Stakeholder“?
Stakeholder
Stakeholder sind Gruppen, die ein berechtigtes Interesse an der Entwicklung des Unternehmens haben oder vom Handeln des Unternehmens beeinflusst werden. Also bspw. die Gruppe der Mitarbeiter. Aber auch Kunden, Zulieferer, Geschäftspartner, Kapitalgeber, Anteilseigner und viele mehr. Je größer und internationaler ein Unternehmen ist, desto mehr Stakeholder müssen berücksichtigt werden.
Neben diesen unmittelbar mit dem Unternehmen verbunden Interessensgruppen kann es noch zahlreiche weitere Organisationen mehr geben. Denken Sie an die Medien oder an die Politik. Wird der Bau einer neuen Fabrik im Ort geplant, könnte sich eine Bürgerinitiative gründen, die dies verhindern möchte. Gewerkschaften, Verbände aus der Wirtschaft, Wettbewerber oder Staat und Gesellschaft können zu den für ein Unternehmen wichtigen Stakeholdern gehören.
All diese Personengruppen haben individuelle Erwartungen an das Unternehmen und versuchen ihre Ziele mit in die Unternehmensführung einfließen zu lassen. Die Gruppe der Stakeholder wird nach externen und internen Stakeholdern unterschieden:
Interne Stakeholder: Mitarbeiter, Eigentümer, Führungskräfte/Management. Mitarbeiter z.B. wollen einen sicheren und ordentlich bezahlten Arbeitsplatz haben. Die Eigentümer erwarten eine gute Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals. Das Management möchte ebenfalls für seine Leistung gut entlohnt werden, möchte Einfluss und Prestige.
Externe Stakeholder: Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Staat, Gesellschaft, Verbände, Wettbewerber, Medien. Investiert ein Unternehmen in eine neue Produktionsstätte, ist die geldgebende Bank sicherlich an der wirtschaftlichen Entwicklung interessiert. Kommt ein Skandal ans Tageslicht, fordern die Medien, Politiker und Bevölkerung lückenlose Aufklärung. Lieferanten schauen auf den Absatz der Firma.
Shareholder
Nun betrachten wir die Gruppe der Shareholder. Shareholder sind die „Anteilshalter“, also Personen, die an einem Unternehmen als Gesellschafter beteiligt sind oder die Anteile in Form von Aktien besitzen. Im Grunde gehören die Anteilseigner auch zur Gruppe der Stakeholder, denn sie haben ja auch Interesse an einer positiven Entwicklung der Firma. Allerdings haben Sie ein ganz besonderes Interesse und eine ganz besondere Stellung. Denn die Shareholder sind Eigentümer des Unternehmens. Vor allem schauen sie auf den Gewinn, an dem sich die Höhe der Ausschüttungen orientiert. Shareholder legen Wert auf eine möglichst hohe Verzinsung des von Ihnen eingesetzten Kapitals. Das Management tut gut daran die Interessen der Shareholder entsprechend zu berücksichtigen. Denn über Gesellschafter- und Aktionärsversammlungen nehmen die Anteilseigner Einfluss auf das Management. Die Geschäftsleitung ist eigentilch nur "im Auftrag" der Eigentümer tätig. Und das primäre Ziel der Gruppe der Anteilseigner ist die Gewinnmaximierung.
Und damit fängt die Misere für das Management an. Die Aufgabe der Manager/innen ist es, die verschiedenen Ziele der unterschiedlichen Anspruchsgruppen irgendwie in Einklang zu bringen und so weit wie möglich zu berücksichtigen. Der Erfolg der Firma hängt davon ab, wie gut das den Führungskräften gelingt.
Bei der Gewichtung und Bedeutung der Interessensgruppen kann man zwei unterschiedliche Pole beschreiben:
Shareholder-Ansatz
Hier haben die Interessen und Ziele der Shareholder Vorrang vor allen anderen. Zentrales Ziel ist die Steigerung des "Shareholder-Value". Das ist der Unternehmenswert, der sich aus Aktienkurs und Preis/Aktie errechnen lässt. Oft hört man in den Börsennachrichten, dass Einsparungsprogramme oder Entlassungen zu einem Anstieg des Kurses führen. Und dieser Anstieg ist gut für die Shareholder - aber die Maßnahmen, die dazu führen schlecht für die Mitarbeiter. Im Fokus des Managements stehen Kosteneinsparung, Umsatzsteigerung, Steigerung der Rentabilität und Gewinnung von Marktanteilen, um den Börsenwert eines Unternehmens langfristig zu steigern. Es stehen also die Finanzziele des Unternehmens im Mittelpunkt. Die Interessen anderer Stakeholder spielen eher eine untergeordnete Rolle. Das wäre etwa der Fall, wenn Lieferanten zu hohen Preisnachlässen gezwungen werden oder Abstriche in der Produktqualität gemacht würden. Hier wären die Ziele der Lieferanten (faire Vertragsbedingungen) und der Kunden (optimale Qualität) nur wenig berücksichtigt.
Stakeholder-Ansatz
In dieser Form der Unternehmensführung versucht das Management nun einen Ausgleich der unterschiedlichsten Interessen zu erreichen. D.h. nicht, dass keine Gewinne erzielt werden sollen oder wirklich jeder an der Zielbildung des Unternehmens beteiligt wird. Aber soweit möglich und sinnvoll bezieht das Managament die jeweiligen Ziele in die Unternehmensplanungen mit ein. Hier trifft man auch auf den Begriff Corporate Social Responsability - kurz CSR. Diese beschreibt die Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Gesellschaft, bspw. im Bereich der Nachhaltigkeit. Beachtet ein Unternehmen die Interessen der Stakeholder, so trägt es automatisch seinen Teil zum Wohle der Gesellschaft bei. So weit zumindest die Theorie. Verfolgt ein Unternehmen den Stakeholder-Ansatz, so implementiert es meist ein Stakeholder-Management. Im Rahmen dessen werden die einzelnen Gruppen betrachtet und bspw. nach Größe des Einflusses, der Organsiationsgröße oder der Beziehungen und Kooperation untereinander analysiert und eingeordnet. Dadurch kann die Unternehmensleitung Strategien im Umgang mit den einzelnen Gruppen entwickeln. Im besten Fall kann sie so auch Chancen aufgreifen und potenzielle Risiken vermeiden.
Vor- und Nachteile
Beide Ansätze haben letztlich Ihre Berechtigung. Der Stakeholder-Ansatz bringt einige Vorteile. U.a:
- Unterschiedliche Interessen können in Form von Kompromissen und Absprachen in die Unternehmensführung eingebunden werden.
- Mögliche Konflikte werden rechtzeitig erkannt.
- Maßnahmen im Umgang mit den jeweiligen Stakeholdern können aktiv und im Vorfeld geplant und umgesetzt werden.
Kritiker meinen allerdings, dass es sich bei diesem Ansatz eher um einen "Kuschelkurs" handelt, mit dem das Management es allen Recht machen möchte. Und tatsächlich erfodert dieser Ansatz mehr Kommunikation und Kompromissbereitschaft, bspw. gegenüber den Gewinnerwartungen. Daher ist auch das Konflikpotential zwischen den Meinungsvertretern höher, da jeder im Zweifelsfall sein eigenes Ziel erreichen möchte.
Dem Shareholder-Ansatz haftet wiederum der Ruf an, allein das Gewinnstreben in den Mittelpunkt zu stellen und soziale Aspekte und Verantwortung zu vernachlässigen. Aber auch dieser Ansatz berücksichtigt wesentliche Elemente in der Unternehmensführung:
- Sicherstellung der langfristigen Wertsteigerung
- Attraktivität für Investoren
- Primäre Bedeutung der Interessen der Firmeneigentümer
- Gewinnziel dient allen Stakeholdern gleichermaßen
Allerdings wird die Steigerung des Shareholder-Value auch oftmals als Vorwand für Personalabau genutzt. Oder Manager, die am Shareholder-Value gemessen werden, drücken rigorose Einsparungen durch, erhalten ihre Boni und verlassen nach ein oder zwei Jahren das Unternehmen wieder. Hier wird nur auf kurzfristige Wertsteigerung abgezielt. Andere Interessen bleiben außen vor.
Was tun?
In vielen Unternehmen wird es wohl eine Mischung aus beiden Ansätzen geben. Welcher Ansatz mehr betont wird, liegt dann am Ende bei den Eigentümern und Managern und deren Einstellungen. Harte Geschäftsmänner und -frauen oder Manager/inne mit sozialer Verantwortung? Der wirtschaftliche Erfolg muss gegeben sein, so viel steht fest. Hat ein Unternehmen diesen Erfolg, sprich ausreichend Gewinne und Kapital, sollte es aber seine Verantwortung gegegnüber seinen Stakeholdern nicht vergessen.
Hier noch zwei Links zum Thema: